Die Hermannsschlacht

Unter der Titel „Die Hermannsschlacht“ ging ein Ereignis in die Annalen unserer Stadt ein, das über den Zustand der Weimer Demokratie Auskunft gibt, aber auch zeigt, wie lange ein solches Ereignis in der Erinnerung einer Stadtgesellschaft haften bleibt und politisch genutzt wird.

Die Hermannschlacht war eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen rechten und linken Kräften in Northeim in Zeiten der Weimarer Republik, die bespielhaft einen Einblick liefert, in welcher Stimmungslage sich nach dem verlorenen Krieg die neue junge Weimarer Republik mit ihren Anspruch einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung befand.

1922 sollte das Kleist´sche Bühnenstück auf dem Brunnen (Gesundbrunnen) aufgeführt werden. Die Waldbühne gab es damals noch nicht, aber einen sog. Tanzplatz, der entsprechend hergerichtet, sich auch für eine Bühnenaufführung eignete. Die Aufführung des stark nationalistisch arrangierten Stückes konnte für linke Gruppen eine Provokation bedeuten, gerade in den Tage des Junis 1922, als der Reichsaußenminister Walther Rathenau einem rechtsterroristischen Mordanschlag zum Opfer gefallen war. Der Regierungspräsident hatte deswegen die Aufführung verboten. Um dieses Verbot durchzusetzen, begaben sich linke Kräfte zum Brunnen, dabei kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des Jungdeutschen Ordens. Die Schlägereien, die auf dem Weg zum Brunnen begannen, sollten sich auch in der Stadt fortsetzen.

In den Jahren 1932 bis 1936 wurde die heutige Waldbühne errichtet. Sie entstand in einem vormaligen Steinbruch am Gesundbrunnen und erhielt den Namen „Weihestätte“. Sie sollte großen Veranstaltungen unter freiem Himmel eine eindrucksvolle Atmosphäre bieten. Natürlich wurde sie auch als Propagandastätte genutzt, so fanden von 1936 bis 1938 die jährlichen Reichsarbeitstagungen der NSKOV* auf der Weihestätte und in der Stadt statt.

Eingeweiht wurde die Weihestätte auch mit einem Bühnenstück und natürlich mit der Kleist´schen Hermannsschlacht … in bewusster Erinnerung an die Ereignisse des Jahres 1922.

* Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung, eine der NSDAP angeschlossene Wohlfahrtseinrichtung für Schwerkriegsbeschädigte und Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs

Seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begannen auch in Northeim die Ausgrenzungen der jüdischen Mitbürger in der Stadt. 

Als die Familie Levy (Levi) im April 1939 nach Palästina auswanderte, nahm das der Heimat Beobachter (das regionale Presseorgan der NSDAP) zum Anlass, die jüdischen Bürger der Stadt noch einmal zu attackieren. Nur noch 13 Juden wohnten Anfang 1939 in der Stadt. Unter dem Artikel fand sich eine Karikatur die die Immigration der Familie Levy kommentierte. In der hämischen Unterschrift fand sich auch ein Hinweis auf die Beteiligung Leopold Levys an der sog. Hermannsschlacht.

Das Deutsche Reich war nach dem Kriege nicht mehr das gleiche wie vor dem Krieg. Die Monarchie war zu Ende, es entwickelte sich eine parlamentarische Demokratie mit einem verfassungsmäßig starken, vom Volk gewählten  Präsidenten. Die Verschuldung durch den Krieg war riesig, Reparationslasten kamen dazu, was die wirtschaftliche Erholung der Friedenswirtschaft nach dem Ende der Kriegswirtschaft maßgeblich beeinträchtigte und die Hyperinflation des Jahres 1923 wesentlich verschuldete. Die Kolonien mussten abgegeben werden, Elsaß-Lothrigen war verloren, die ehemalige Provinz Posen und Gebiete in Schlesien. Auch die Deutschlandkarte war eine andere. Im Versailler Vertrag war die Kriegsschuld Deutschlands festgeschrieben. Euphorie vor dem Krieg war Depression gewichen. Schlechte Startbedingungen für die neue Demokratie.

Auch das Northeim nach dem Krieg war nicht mehr das Northeim vor dem Krieg. Ideologische Gegensätze taten sich auf und bestimmten die politische Ordnung

Im Jahr 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht, auch in Northeim. Northeim war nun eine Stadt „unterm Hakenkreuz“. Im Herbst/Winter 2015/16 wurde dieser Teil der Stadtentwicklung in der Ausstellung „Northeim unterm Hakenkreuz“ im Northeimer Heimatmuseum dargestellt. Als Logo wurde nebenstehende Kollage entwickelt. Inspiriert  war es von dem Cover der deutschen Ausgabe von Allens: „Das haben wir nicht gewollt!“

William Sheridan Allen:  „Das haben wir nicht gewollt!“ Die nationalsozialistische Machtergreifung  in einer Kleinstadt 1930 bis 1935; Gütersloh 1965 (engl. Titel: The Nazi Seizure of Power)

William S. Allen hatte in seiner Studie die Chance genutzt, sehr frühzeitig und unmittelbar die lokale Entwicklung in den 1930er Jahren in Northeim aufzuarbeiten. Er konnte Zeitzeugen befragen, der zeitliche Abstand zu den Ereignissen war groß genug, aber die Erinnerung noch nicht ganz verschüttet. Es gelang dem amerikanischen Studenten, der die Arbeit später als Dissertation vorlegte, in der Stadt Vertrauen zu gewinnen. Vielleicht spielte seine Distanz als Ausländer dabei eine Rolle, sicher aber auch die Tatsache, dass er zusagte, die Namen zu anonymisieren und ebenso auch die Ortsbezeichnungen zu verschlüsseln. Northeim war nun Tahlheim. 

Die Arbeit ist verdienstvoll, konnte man sich doch nun frühzeitig in Northeim mit dieser Vergangenheit auseinandersetzen - das Tabu der Nazi-Jahre war früh gebrochen. Jedenfalls für diejenigen, die bereit waren, sich damit zu beschäftigen. Sie fanden in dem Buch Grundlagen.

Allerdings leidet Allens Studie an der Vermischung von Erkenntnissen aus schriftlichen Quellen, Zeitzeugenaussagen und allgemeinen geschichtswissenschaftlichen Erklärungsmustern über die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Nicht immer ist klar, worauf der Autor seine Einsichten stützt.

1984 hat Allen seine Arbeit noch einmal erweitert und den Betrachtungszeitraum auf die Zeit von 1922 bis 1945 ausgeweitet. Diese erweiterte Ausgabe wurde nicht in Deutsch publiziert. Es wurde in dieser Ausgabe auf die Anonymisierung verzichtet, Northeim war nun Northeim.

Karikatur Levy

Seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begannen auch in Northeim die Ausgrenzungen der jüdischen Mitbürger in der Stadt.

Als die Familie Levy (Levi) im April 1939 nach Palästina auswanderte, nahm das der Heimat Beobachter (das regionale Presseorgan der NSDAP) zum Anlass, die jüdischen Bürger der Stadt noch einmal zu attackieren. Nur noch 13 Juden wohnten Anfang 1939 in der Stadt. Unter dem Artikel fand sich eine Karikatur die die Immigration der Familie Levy kommentierte. In der hämischen Unterschrift fand sich auch ein Hinweis auf die Beteiligung Leopold Levys an der sog. Hermannsschlacht.

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